Magic Future Money - Geschichte Nr. 14

Der Wert des Kuraberu

Der Wert des Kuraberu

Die Wiederaufnahme

Die brummende Klimaanlage pustete kontinuierlich warme wiederaufbereitete Luft in das kleine Aufenthaltsmodul. Der spartanisch ausgestattete Wohncontainer strahlte eine sterile geschützte weiße Gemütlichkeit aus. Ein Tisch und zwei Stühle säumten den Raum. Stabile, an den Wänden geometrisch sortierte Aufbewahrungsboxen standen im Kontrast zu dem herumliegenden Kinderspielzeug. Der wellenförmige Beleuchtungsreflektor an der Decke fluoreszierte ein vertrautes sonnengleiches Licht in die Umgebung. Obwohl die Deckenhöhe bedrückend tief war, kompensierte der Reflektor die dumpfe Atmosphäre in eine wohlige weite Wahrnehmung.

Aus einer der zwei im hinteren Bereich liegenden Schlafkabinen fiel ein blauer Stoff-Dino auf den Boden. Nach einer kurzen Bewegungsstille folgte ihm ein nackter Kinderfuß.

Ein beschäftigtes „Guten Morgen“ ertönte aus der kleinen Kochnische, um von kindlichem Gemurmel auf der anderen Seite des Raums erwidert zu werden.

„Guten Morgen Papa“.

Es dauerte nicht lange und die sechsjährige FOX stand mit beiden Beinen auf dem warmen glatten Boden. Mit gewurschteltem, schulterlangem blonden Haar rieb sie sich den Schlaf aus den Augen. Bekleidet mit einem dumpf reflektierendem Thermomaterial, welches sie in der Nacht vor der Strahlung schützte, gähnte sie ihrem Vater beschwerlich ein „Das war aber eine kalte Nacht“ entgegen.

Tom drehte sich im beengten Bereich, welcher für die Nahrungsaufbereitung zuständig war, zu seiner Tochter um. Er schaute Sie freundlich und erwartungsvoll an.

„Komm, zieh dich um. Der Reaktor ist schon auf 84 Prozent“. Ein leichtes Surren ertönte.

Ein blau schimmerndes Feld baute sich auf Hüfthöhe in der Kochecke auf. Zwischen zwei tellergoßen in der Wand verbauten Elektromagneten bildete sich ein Plasmafeld.

Beiläufig sagte Tom: „Die Eier sind gleich fertig“ und stocherte währenddessen mit einem stumpfen silbernen Gegenstand in der schwebenden, pulverartigen Masse in dem Niedertempartur-Plasmafeld herum. Aus dem silbernen Gegenstand tropfte Wasser der pulvrigen Masse entgegen.

FOX schlenderte mit halb geschlossenen Augen zum Tisch, griff auf halben Weg zu Boden und schnappte sich ihre schon ausgediente Lieblingspuppe. Gewohnt verschlafen setzte sie sich an den Tisch und schaute durchs schmale Bullauge nach draußen. Ein Sandsturm tobte sich im Freien zwischen dem Gestein und den Lagerbaugruppen aus. Rote Sandkörner schlugen lautlos gegen das Fenster.

Fest umschlungen hielt FOX ihre Puppe im Arm und flüsterte ihr ins Ohr: „Mir ist kalt.“

Unscheinbar reagierte die Puppe auf den sprachlichen Einfluss, schmiegte sich passgenau an FOX‘ Körperstruktur an und erwärmte sich blitzartig auf eine wohlige Temperatur.

Zwischenzeitlich bildete sich im Plasmafeld der Kochnische in einer Symbiose von Pulver, Wasser und Bestrahlung ein verlockend duftendes Rührei. Das leichte Surren verstummte. Das Feld verblasste und das Frühstück landete auf dem von Tom perfekt darunter positionierten Plastikteller.

Mit einem „Et voilà!“ servierte Tom seinem schläfrigen Nachwuchs zufrieden die synthetischen Rühreier.

Er setzte sich seiner Tochter gegenüber auf den leerstehenden Stuhl und artikulierte mit einem perfektem französischen Akzent: „Bon appétit, ma petite chérie“ Routiniert fuhr Tom fort: „le réacteur de fusion est maintenant à 86 pour cent.“ (Der Fusionsreaktor liegt jetzt bei 86 Prozent.)

FOX richtete sich auf. Sie blickte ihren Vater mit versteinerter Miene durch ihr zerzaustes Haar an und erwiderte schläfrig: „Doit-il en être ainsi?“ (Muss das sein?). Schleppend griff sie zu Ihren Essstäbchen und genoss ihr Frühstück. Nach dem sie sich das zweite Stück in den Mund geschoben hatte fragte sie ihren Vater mit vollem Mund: „Tu ne veux rien manger?“ (Du willst nichts essen?)

Beobachtend und dankend antwortete Tom nur: „Nein, Danke. Ich hatte heute Morgen, nach meinem Training einen P-Shake“. Plötzlich zuckte Tom auf und verschwand in Richtung Kochnische.

Auf dem Weg drehte er sich zu seiner Tochter um und sprach: „Das habe ich ja ganz vergessen. Ich habe hier ja noch etwas für dich.“ Das leichte Surren war wieder zu hören. Schnell wurde aus der Verbindung des Plasmafeldes mit etwas aufleuchtenden Pulver und dem silbernen Gegenstand in Toms Hand ein Getränk gezaubert. Hastig eilte Tom mit einem randvoll gefüllten Becher in der Hand zum Tisch zurück. Er setzte sich wieder und schob behutsam den Becher über den Tisch. Nun stand der volle Becher vor FOX. Kauend griff sie zum Getränk.

Als sie den Becher in ihrer Hand hielt und an ihre Lippen führte unterbrach Tom neugierig und fragte in außergewöhnlich gutem Japanisch: それは美味しい? (Schmeckt es?)

FOX nippte skeptisch an der gelblichen Flüssigkeit. Kleine, fruchtige Stückchen verteilten sich in ihrem Mund und verbreiteten eine fein-süße Säure auf ihrer Zunge. Überzeugt antwortete FOX ihrem Vater in einem ebenfalls recht respektierlichem Japanisch: おいしい (Sehr lecker!), gefolgt von der neugierigen Frage: それは何ですか? (Was ist das?)

Erneut setzte sie ihre Lippen am Becher an und kostete genussvoll weitere Schlucke der erfrischenden gelben Flüssigkeit.

Ein zufriedenes Grinsen breitete sich in Toms Gesicht aus. Erleichtert lüftete er das Geheimnis: „Es heißt Orangensaft. Also – genau genommen ist es eine synthetische Nachbildung von Orangensaft“ FOX starte den Becher in Ihrer Hand verblüfft an und wiederholte einprägend den Namen der Köstlichkeit: „ORANGENSAFT“. Sie spürte wie die Müdigkeit langsam verebbte und die Lebensgeister in ihr geweckt wurden.

Tom und FOX unterhielten sich noch eine Weile in Japanisch über die intensive Wirkung und die geschmacklichen Facetten des Getränks. Parallel zur lebendigen Unterhaltung auf dem knapp bemessenen Raum erstarb der lautlose Sandsturm außerhalb und eine weite, rötlich brummende Klarheit legte sich über die kalte steinige Steppe. Unvermutet leuchtete eine grüne Signalleuchte an einem Terminal auf, gefolgt von einem durchdringenden Meldeton und einer emotionslosen männlichen Computerstimme, die im Raum ertönte: „Fusionsreaktor 3 – hat die Solltemperatur erreicht.“

Mit einem abschließenden, langgezogenem „Okay“ beendete Tom die Unterhaltung mit seiner Tochter und fügte noch hinzu: „Du kannst dich jetzt umziehen mein Schatz.“ Motiviert und voller Tatendrang erhob er sich vom Stuhl, küsste FOX auf die Stirn und lief in Richtung Schleusentor, wo die blinkende grüne Signalleuchte am hängenden Bedienpult auf eine Bestätigung wartete.

Als Tom an das Pult vortrat, schossen zwei gepulste Laserstrahlen gezielt in seine Augen.

Ein rot-grüner Lichtstrahl folgte unnachgiebig seiner Augenposition und projizierte eine Kommandozeile direkt auf seine Netzhaut. Mit koordinierten Fingerbewegungen startete Tom mit der Eingabe in die Befehlszeile.

Vertieft in Gedanken verlagerte Fox ihren Blick in Richtung Bullauge. Sie beobachtete die unverändert kahle, rötliche Oberfläche des Planeten.

Ihre starre Aufmerksamkeit in den ruhigen ausgedehnten Weiten gefangen, füllten sich Ihre Augen leicht mit Tränenflüssigkeit.

Sie justierte ihre Position auf dem Stuhl und umklammerte erneut ihre abgewetzte Puppe, die immer noch ihre angepasste Wärme ausstrahlte.

Ungewollt kullerte eine einzelne Träne über ihre kindliche Wange.

Beiläufig erwähnte Sie mit ruhiger Stimme: „Ich hatte wieder diesen Traum – von Mama!“

Stehend und mit dem Rücken zu seiner Tochter gerichtet, unterbrach Tom seine Eingaben. Reglos harrte er nachdenklich in seiner Position. Eine kurze Pause beherrschte die Zeit. Tom ließ langsam seinen Kopf zu Boden sinken und atmete flach. Die Shell flackerte parenthetisch weiter auf die Netzhaut.

Er wusste es.

Es ist die Wiederaufnahme der Trauer.

Veranschaulichung Nr. X

Er wusste es, es würde wieder nicht klappen.

Mit einem erschöpften Optimismus erhob er seinen Kopf, schaltete mit einer Handbewegung die Projektion auf seiner Netzhaut aus und drehte sich mit einem liebevollen Lächeln zu seiner Tochter um. Während er wieder zum Tisch lief, sprach Tom mit gehobenen Zeigefinger: „Wusstest du, dass vor 150 Jahren viele Kinder in deinem Alter Orangensaft mochten?“

FOX‘ Aufmerksamkeit irrte noch außerhalb des Containers herum. Tom beobachtete seine Tochter kurz und fuhr fort: „Es gab Regionen, da wuchsen ganze Plantagen. Prall gefüllt mit Orangenbäumen.“ Voller Hingabe und Begeisterung fügte er noch hinzu: „Die Luft. Duftend nach frischen Orangen.“

Langsam, aber sicher fing er das Interesse seiner Tochter wieder ein.

Mit einem kurzen Lachen erwähnte Tom weiter: „Die Orangenbäume sahen lustig aus. Als würden hunderte leuchtend orangene Bälle an ihnen hängen. Und eine Frucht war schmackhafter als die andere.“

Fox‘ Stimmung erhellte sich. Sie wandte sich wieder ihrem Vater zu und sagte: „Ist so etwas denn überhaupt möglich? Erzähl mir mehr!“

Also erzählte Tom weiter: „Aber ja, wenn ich es Dir doch sage! Es gab jedes Jahr circa 50 Millionen Tonnen Orangen „ Fox lachte herzlich.

Toms Miene verdüsterte sich. Er hob seinen Finger in die Luft und er sagte: „Und dennoch, nicht jeder hat das Privileg gehabt Orangensaft trinken zu dürfen.“ Neugier und Unverständnis lagen in Fox‘ Gesicht geschrieben.

Mit verblüffter Stimme fragte Sie: „Aber warum? Es gab doch genug Orangen.“

„Nun, nicht jeder konnte es sich leisten Orangensaft zu kaufen“, erklärte Tom.

Sofort unterbrach ihn FOX, bemüht ihre Unkenntnis schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Mit interessiertem Blick fragte Sie: „Was meinst du mit ‚kaufen‘?“

Tom holte aus und erwiderte: „Mit ‚KAUFEN‘ meine ich, dass etwas gegen Bezahlung erworben werden konnte. Früher war das existenzbestimmend. Man bekam Etwas, im Austausch für etwas Anderes. Stell es dir wie ein Tausch vor.“

Schnell nickte FOX naiv und stimmte zu: „Also ein 比べる („Kuraberu“).

Tom schloss kurz verneinend die Augen und setzte erneut an, um es zu erklären.

„Nein, es war ganz und gar nicht wie ein ‚Kuraberu‘. Der ‚Vergleich‘ kam erst hunderte Jahre später. Am Anfang der Menschheit war der direkte Tausch von unterschiedlichen Waren die übliche Art des Handels. Doch es war schwierig einen angemessenen Maßstab zu finden, um alle Waren in ihrem Wert miteinander zu vergleichen.“

 Tom lehnte sich zurück und seufzte: „Dann kam das Geld.“

 FOX hörte gespannt zu und sprach ihrem Vater flüsternd nach:

 „G-E-L-D“

Tom nickte und sprach: „Ja, Geld. Am Anfang in Form von Münzen aus Edelmetallen. Später dann in Papierformat und im Digitalzeitalter schließlich in elektronischer Form. Dies setzte sich bald durch, weil es für die Menschen einfacher war, Geld zu verwenden, um Waren einzutauschen. Alles war nun in Geld zu bemessen. Geld war ein Maßstab, um Allem und Jedem einen bestimmten Wert zuzuschreiben. Alles hatte nun seinen Preis!“

Fox stand auf und voller Tatendrang lief sie gespannt zu den an den Wänden sortierten Aufbewahrungsboxen. Im Augenblick als FOX ihre Hand zu einer der Kisten ausstreckte, de-materialisierte sich eine kleine Öffnung. Sie griff hinein und holte einige Festwasserstofftabletten aus der Box. Als sie sich zurück zum Tisch begab und die Energiespeicher dort ausbreitete, materialisierte sich im Hintergrund der Zugang der Kiste in seiner ursprünglichen Form.

Spielend sortierte FOX die Speicherchips auf dem Tisch und bat: „Lass uns spielen!“

Sie freute sich und sprach: „Wenn dies Geld ist, dann kann ich alles kaufen?“ FOX lächelte ihren Vater mit breitem Grinsen an und sagte: „Dann kaufe ich Orangen.“

Tom lachte herzlich und erwiderte: „Ja, damals war das so. Aber nicht jeder hatte Geld.

FOX hörte ihrem Vater gespannt weiter zu.

„Es war sehr kompliziert. Es gab verschiedenste Gesellschaftsformen. Am Anfang einer Zivilisation herrschten Monarchien. Gefolgt von Diktatoren, Sozialismus und Kommunismus. Demokratien kamen und gingen. Ganze Imperien wuchsen und verblassten wieder. Erschwerend kam noch eine bunte Vielzahl an Religionen hinzu, was die Gesamtsituation noch erschwerte. Aber im Mittelpunkt stand immer das Geld. Jeder wollte es. Jeder brauchte es. Aber nicht jeder bekam es!“

FOX‘ Neugier war vollends entfacht und sie stellte mehr Fragen: „Wer machte das Geld und wie bekamen die Menschen es?“

Tom war erleichtert, dass FOX diese Fragen stellte. Er lehnte sich zurück und sprach, als wäre es nicht das erste Mal, dass er dies erzählte: „Es wurde vererbt, verdient, verschenkt oder auch einfach vergeudet. Es gab verschiedenste Möglichkeiten an Geld zu kommen. Wer viel Geld hatte, hatte auch die besseren Eventualitäten, um an noch mehr Geld zu kommen.“

Toms Stimme wurde energischer. „Das Augenmerk lag in der Verteilung des Geldes. Zehn Prozent der Menschheit besaßen 60 Prozent des Vermögens. Menschen, die kein Geld hatten, mussten sich Geld leihen und so Schulden aufnehmen.“

Leicht eingeschüchtert fragte FOX: „Papa, was sind Schulden.“

Tom antwortete: „Negatives Geld. Das eigentliche Fundament der damaligen modernen Gesellschaften. Wer Schulden hatte, musste dieses geliehene Geld mit Zinsen zurückzahlen. Das bedeutet, du musst in einem bestimmten Zeitraum mehr Geld zurückgeben, als du dir ursprünglich geliehen hast. Und auch auf diese Zinsen musstest du wiederum Zinsen bezahlen. Dies hieß Zinseszins. Es führte zu einer natürlichen gesellschaftlichen Ungerechtigkeit und einer Umverteilung des Vermögens. Ganze Bevölkerungen waren arretiert in der Schuldenfalle. Das Geld wurde im Informationszeitalter zentral ohne Grenzen hergestellt und dies führte wiederum zu einer natürlichen Geldknappheit.“

Tom unterbrach kurz. Er sah FOX tief in die Augen und flüsterte bestimmend mit ermüdeter Stimme. „Gefangen in diesem Paradoxon, führte dies zu Kriegen und all den herrschenden Problemen der Menschheit.“

Erwartend starrte er FOX an. Sie erwiderte seine Ausführungen mit Schweigen und eine Leere breitete sich aus.

Gleich darauf ertönte wieder ein Meldeton und erneut erklang die emotionslose Computerstimme: „Tom.“ Nach einer kurzen Pause, um Tom etwas Zeit zu geben, der Stimme seine Aufmerksamkeit zu widmen, fügte diese hinzu: „Es ist erforderlich, jetzt weiterzumachen.“

Toms Gesichtsausdruck verzog sich zu einem düster melancholischen Anblick. Er erhob sich und lief etwas schlendernd nach rechts zum Schleusentor.

Überwältigt und nachdenklich ließ er FOX hinter sich zurück. Er griff in die Schultertasche seines Overalls und zog eine alte, mitgenommene Fotografie heraus. Ein grün blühendes Orangenfeld war auf dem Bild zu erkennen. Im Vordergrund waren zwei Frauen bei der Orangenernte abgebildet. Es war unschwer zu erkennen, wie glücklich und voller Freude die beiden waren. Die eine der beiden, eine gutaussehende junge Frau, beinahe noch ein Mädchen, lächelte luftig bekleidet und mit einem Sonnenhut ausgestattet stolz und fröhlich in die Kamera. Direkt daneben, die junge Frau umarmend, stand eine hübsche Frau mittleren Alters. Mit einem leicht erhabenen, zufriedenen Blick lächelte Sie elegant für das aufgenommene Bild.

Tom verlor sich eine Weile in der Aufnahme.

Der Abstieg

Eine Vielzahl unterschiedlicher Schriftzeichen und Signalleuchten blinkten durcheinander in unregelmäßigen Abständen am Bedienpult links vom Schleusentor. Ein lautes Gähnen ertönte. Leicht aufgeschreckt von FOX‘ abrupter Müdigkeit erblickte Tom die Notlage am Terminal. Verwirrt und zeitlos sammelten sich seine Gedanken wieder in der Gegenwart. Schnell reagierte Tom und steckte die Fotografie behutsam zurück. Er trat wieder zum Pult. Erfasst vom pulsierenden Licht tippte er mit wilden Fingerbewegungen in der Luft eine Reihe von komplizierten Codes ins projizierte Terminal. Die Aufregung am Bedienpult war nach ein paar Minuten bewältigt und Tom entfernte sich wieder. Er lief zur anderen Seite des Schleusentors. Erleichtert sprach er zu FOX, die immer noch nachdenklich am Tisch saß.

„Ok, ich muss runter.“

Überwältigt von einer plötzlichen Energielosigkeit erhob sich FOX vom Tisch und verschwand mit kleinen tapsigen Schritten in der Schlafkabine.

Direkt vor Tom, rechts neben der Schleuse, öffnete sich unter hohem Luftdruck eine Klappe im Boden. Daraus erhob sich eine senkrecht aufstehende Hyperloop-Kabine. Eine nach unten gerichtete Einpersonenkapsel schimmerte leicht im aufkommenden Kondensnebel. Zeitgleich beobachtete Tom widerstrebend das Verhalten seiner Tochter und nahm sich schnell einen Wasserstoffspeicher vom Tisch. Diesen steckte er geschwind in eine kleine unscheinbare Apparatur an seinem Gürtel. Schnell war ein Aufladesignal auf dem kleinen Gerät an seiner Hüfte zu erkennen. Beruhigt wendete Tom sich zur Hyperloop-Kapsel. Die Einstiegskuppel dematerialisierte sich kurz bevor Tom in die Kapsel stieg, welche gerade genügend Platz für eine ausgewachsene Person bot. Tom versuchte eine stabile Position für sich zu finden und sprach: „Ok, AIBOP: aktiviere Protokoll 874.“

Kurz nachdem Tom die Wörter zur Aktivierung ausgesprochen hatte, materialisierte sich die Einstiegskuppel und die Einstiegsluke war nicht mehr zu erkennen. Nun schwebte die Kapsel als vollkommenes, stromlinienförmiges Geschoss ohne Ecken und Kanten über dem Kanal im Boden. In der Kapsel umschlangen kleine Zellgeflechte Toms Körper. Rasant wachsende Myzelien wucherten in alle Zwischenräume und verbanden Toms menschlichen Körper als eine Einheit mit der Hyperloop-Kapsel. Ohne Vorwarnung oder erkenntlichen Anstoß fiel die Kapsel lautlos in den Kanal. Nachdem die Kapsel ohne Spuren zu hinterlassen in die Tube gefallen war, schloss sich die Klappe im Boden vollkommen lautlos.

Auch wenn das feine Geflecht der fadenförmigen Zellen als unabdingbares Dämmmaterial seinem Zweck erfüllte, war die körperliche Inanspruchnahme selbst für Toms ausgesprochen gut trainierten Körper eine Belastungsprobe. Dennoch war dies nicht das erste Mal, dass Tom die enorme Geschwindigkeitsbelastung im Tube über sich ergehen ließ. Die rote Marsoberfläche lag unscheinbar und bewegungslos da und ließ nicht erkennen, was im gleichem Moment 3000 Meter tiefer geschah. Toms Hyperloop-Kapsel schoss mit 400 km/h durch den Tube in den Abgrund. Der unterirdische Aufprall der Kapsel war gewaltig. Abgefangen in einem künstlichen Becken, welches mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt war, schlug Toms Hyperloop ein. Die Flüssigkeit kompensierte die Energie des Aufschlages mit einer adiabatischen Zustandsänderung. Der thermodynamische Vorgang sorgte für eine Veränderung der milchigen Flüssigkeit zu einer festen zähen Masse, in welcher die Kapsel ungewollt eingeschlossen war. Es verging eine kleine Weile, bis der stabile ursprüngliche Phasenzustand der milchigen Flüssigkeit wieder hergestellt war. Nun schwamm die Kapsel ruhig auf der Oberfläche bis zum Rand des Auffangbeckens und die Einstiegskuppel dematerialisierte sich wieder.

Tom befreite sich gekonnt von den schützenden Myzelien und verließ sein Transportmittel. Er befand sich in einer künstlich angelegten unterirdischen Höhle. Ein kleiner Gang war ins Gestein gefräst. Am Ende des Tunnels befand sich ein kleines Schleusentor. Auch das Tor dematerialisierte sich als Tom darauf zuging. Nach dem er das Tor durchquert hatte, befand er sich in einer riesigen unterirdischen Kuppel. In dem Gewölbe stand eine futuristische Maschine, die gewaltig in die Höhe ragte. Der untere Bereich bestand aus einer torusförmigen Anlage, die für den magnetischen Einschluss eines heißen Plasmas verantwortlich war. Die Anlage wurde umkreist von hunderten Magnetspulen, welche die nähere Umgebung aufgrund kleinerer Ioninisierungen der Umgebungsluft willkürlich zu einem facettenreichen Leuchten brachte. Der untere Stellarator versorgte den oberen Bereich der Anlage mit Energie. Wie ein Herzschlag wurden die pulsierenden Energiestöße zum oberen kugelförmigen Teil der Anlage transportiert. Der kugelförmige Teil bestand aus hunderten untereinander angebrachten riesigen vergoldeten Scheiben. Die Scheiben hatten unterschiedliche Durchmesser, so dass das ganze Konstrukt von Weitem als hängende Kugel wahrgenommen werden konnte. Verschiedenste Kabel, Lichtwellenleiter und ungewöhnliche Hohlraum-Resonanzantennen vereinten die Scheiben miteinander und gewährleisteten einen Datenaustausch untereinander.

Tom stand eine Weile voller Ehrfurcht vor der Maschine und genoss den wundervollen Anblick. Das punktuelle bunte Aufleuchten der Ionisierung erinnerte Tom an die Polarlichter auf der Erde. Er spürte das Pulsieren der Energiepakete zur Kugel als kleine Druckwellen auf seinen Körper wirken. Wie ein Ungeborenes lauschte Tom dem Herzschlag des Unbekannten und war immer aufs Neue von seiner Erschaffung fasziniert.

Die Erkenntnis

Ein kleines Vibrieren am Gürtel riss Tom aus seiner Faszination. Der Aufladeprozess der Apparatur an seiner Hüfte war abgeschlossen. Geschickt befestigte er eine herabhängende seilartige Schnur an seinem Gürtel und wurde direkt von einem kleinen Kranmodul zur Kugel heraufgezogen. Als Tom leicht schwebend zur Kugel glitt, blickte er hinter sich zum Schleusentor.

FOX stand lächelnd und voller Energie am Tor. Sie winkte Ihrem Vater zu und trug immer noch das reflektierende Thermomaterial. Voller Ungeduld schrie Sie ihrem Vater in die Höhe zu: „Ich habe die Lösung!“

Tom arbeitete an einer der goldenen Scheiben und befestigte einige Hohlleiter miteinander. Als er einige Antennen ausrichtete antwortete er seiner kleinen sechsjährigen Tochter: „Welche Lösung hast du mein Schatz?“

Schnell hielt FOX ein paar Festwasserstoff-Chips ausgestreckt in der Hand und sagte: „Wenn wir wieder Geld hätten könnten wir doch alles kaufen. Wir könnten Mama wieder gesund kaufen.“

Tom glitt mit Hilfe des Krans wieder zu Boden und erhielt direkt neben seiner Tochter wieder festen Boden unter seinen Füßen. Er kniete sich auf die Höhe seines geliebten Kindes und sagte: „Du willst nicht wieder in diesem Paradoxon gefangen sein. Schau doch was wir hier erschaffen haben. AIBOP und der Kuraberu haben die Menschheit so weit gebracht.“

Tom setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen die Wand und nahm FOX zu sich. Gemeinsam beobachteten Sie die lebendige Maschine AIBOP. Sie spürten das Pulsieren und saßen eine Weile nur da. Eine Vollkommenheit erfüllte das Sein. Tom beugte sich vor und sprach leise ins FOX‘ Ohr: „Als die Menschen auf der Erde an ihren Problemen erstickten und jeder nur nach dem Geld strebte, wurde es an der Zeit für ein Umdenken. Die ersten Grundsteine wurden schon im Digitalzeitalter von kleinen Gruppen von Menschen gelegt. Es gab alternative Systeme zu Geld. Die Kryptowährungen entwickelten sich. Doch niemand wusste, dass das nur der Anfang von etwas vollkommen Neuem war. Das Kuraberu, auch der „Vergleich“ genannt entstand daraus. Der unterschätzte Klimawandel und die Überbevölkerung führten zu Hungersnöten und Kriegen. Die Wälder und die Meere wurden zerstört. Die immer wiederkehrenden aggressiveren Pandemien brachten die Menschheit an den Rand der Existenz.“

Tom schmunzelte kurz und sagte: „Und dann erschuf ich AIBOP. Zu Beginn nicht so fortgeschritten wie hier auf dem Mars. AIBOP steht für ‚Artificial Intelligence by Blocklist of Problems‘. Basierend auf der dezentralen Blockchain-Technologie konstruierte ich ein Belohnungssystem für das Lösen von Problemen. Schnell bildete sich eine Art Agorismus. Außerhalb des politischen Systems bildeten sich Strukturen, mit denen eine freie Gesellschaft erreicht wurde. Jeder konnte mitmachen. Jeder konnte seine Probleme auf die Liste setzen. Jeder konnte die Schwierigkeit, also die Gewichtung des Problems abstimmen. Es bildete sich eine natürliche Priorisierung. Jeder konnte allein oder im Team an großen oder kleinen Lösungen arbeiten. Jeder, der Probleme löste, wurde je nach Gewichtung mit Waren belohnt, die von der Allgemeinheit oder von einzelnen Problemgebern kamen. Der Ausdruck ‚Kuraberu‘ etablierte sich und beschreibt den Wert der Entlohnung für deine Problemlösung in Form von Waren, die benötigt werden um zu leben. Rasant wuchs die Komplexität der Priorisierung und der Blocklist of Problems wurde eine künstliche Intelligenz hinzugefügt. AIBOP war geboren. Er lernte schnell welche Faktoren noch benötigt wurden, um den Problemen einem Wert zuzuschreiben. Globale Umweltdaten, Bevölkerungsdichte, geologische Daten, persönliche Daten und viele weitere Daten wurden gesammelt und verarbeitet, um die Probleme der Menschen besser zu gliedern. Als die Menschen erkannten, dass das Kuraberu sie von den Fesseln des Paradoxons befreite, erkannten sie schnell die Tragweite ihres Handels. Sie waren nun nicht mehr Sklaven ihrer Schulden, sondern das Bestreben nach Lösungen war das höchste Gut. Rapide hörte das nutzlose Konsumverhalten auf und es pendelte sich ein ausreichender und zufriedenstellender Lebensstandard für jeden Menschen ein. Alle Ressourcen wurden in Bildung und Entwicklung gesteckt und die Menschheit bekam eine zweite Chance. Wir entwickelten uns weiter. Wir leben nun deutlich länger. Wir sind widerstandsfähiger und intelligenter. Wir bevölkern den Mars. Wir sind nun Menschen.“

Tom hielt kurz inne, lehnte seinen Hinterkopf gegen die Wand und sprach: „All das steht über deiner Lösung. Das muss du doch verstehen.“

Plötzlich viel ein kleiner Gesteinsbrocken neben ihnen auf den Boden. Schnell standen Tom und FOX auf und schauten nach oben. Eine genetisch veränderte und stark vergrößerte beflügelte Seidenlarve grub sich aus dem Gestein. Als sich die Larve durchgefressen hatte und nicht mehr weiter kam, öffneten sich ihre libellenartigen Flügel und sie flog gradlinig zu den golden Scheiben. Aus dem Hinterleib der Larve zog sich ein robuster seidener Proteinfaden. Als sie die Antennen auf den goldenen Scheiben erreichte, verklebte sich der Faserstoff mit den Lichtwellenleitern und riss ab. Schnell produzierte sie ein neuen Faden, der sich an anderer Stelle mit anderen Lichtwellenleitern verspleißte und flog wieder in Richtung Kuppeldecke, wo Sie wieder anfing sich durch das dicke Gestein zu fressen bis zur nächsten Kuppel mit einem Teil des AIBOP Clusters.

Tom und FOX Standen auf, um das Geschehen besser beobachten zu können.

Tom schaute zu FOX und sagte: „Schau, die Vernetzung beginnt. Bald wird sich auch dieser Quantencomputer ins Cluster einwählen und ein Teil von AIBOP werden. Unsere Arbeit hier wird bald beendet sein.“

Auch an anderen Stellen des großen Gewölbes vielen nun kleine Gesteinsbrocken von den Wänden. Aus allen Richtungen kamen tausende Larven aus den Wänden. Bestrebt und eifrig fraßen sie sich durch die dicken Gesteinsschichten und flogen daraufhin langsam und zielstrebig in Richtung Kugel. Bald beobachteten FOX und Tom ein wildes, scheinbar chaotisches Treiben. Es erinnerte an einem wilden Bienenschwarm. Alles erschien im ersten Moment durcheinander, doch bei näherem Hinsehen hatte alles seine Ordnung und Daseinsberechtigung. Es verging eine Weile, bis die Larven die Maschine verknüpften und wieder in den Wänden verschwanden. Nach dem wilden lauten Treiben verbreitete sich nun eine durchdringende Stille. Die pulsierenden Energiestöße der Maschine hielten für ein paar Herzschläge inne, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Brummen. Ein kurzes Beben, und die Maschine nahm das Arbeiten wieder auf. Es war beinahe innerlich zu spüren, wie unvorstellbare Datenmengen in dem Quantencomputer verarbeitet wurden.

Tom griff nach der Hand von FOX und sagte: „Es ist nun vollbracht und wir sind jetzt etwas menschlicher“.

FOX zog ihre Hand eigensinnig wieder zurück. Sie lief bedrohlich schnell und nah in Richtung Kernfusionsreaktor. Tom reagierte verzögert und erkannte die bedrohliche Situation.

Mit einem beinahe geschrienem „Nein!“, lief Tom hinter FOX her. Er packte Sie an dem Unterarm und stoppte Sie. Behutsam kniete Tom sich vor FOX hin. Er sah die tiefroten verheulten Augen seiner sechsjährigen Tochter.

Sie schluchzte mit Tränen in den Augen und sprach leicht hyperventilierend: „Ich will Mama wiedersehen! Ich will Sie sehen, umarmen und liebhaben. Ich vermisse Sie so unbeschreiblich. Es tut weh. Mein Leben macht keinen Sinn. Es tut so weh. Es tut immer so unbeschreiblich weh. Jedes Mal, wenn ich glaube es wäre vorüber, kommt der Schmerz umso schlimmer wieder. Ich schaffe es nicht mehr.

FOX schaute Tom tief in die Augen und sagte mit einem erschöpften leblosen Blick: „Ich kann und will es nicht verstehen“

Auch in Toms Augen sammelten sich jetzt die Tränen und ein tiefsitzendes Leid kam zum Vorschein. Er war überwältigt vom aufkommenden Gefühl des Schmerzes. All die Jahre seiner Arbeit. Seine Visionären Technologien und Fortschritte. Wohin hatte es geführt? Die Menschheit hat sich eindeutig weiterentwickelt. Während das Leben auf der Erde wiederhergestellt wird, besiedeln die Menschen den Mars und leben in großen nachhaltigen Städten im Einklang. Die nächste Entwicklungsstufe steht kurz bevor. Und dennoch frisst ihn der Schmerz wie ein Krebsgeschwür von innen auf.

Leise stammelte Tom heulend vor sich hin: „Es musste sein.“ Tränen liefen an seinem Gesicht herab. Tom sprach stotternd und voller Herzleid. „Es war ein Problem. Es diente zum Wohle aller. Das musst du verstehen.“

FOX‘ kindliche Augen verstanden nicht. Auf den unverständigen Blick folgte: „Was hast du getan, Papa?“

Tom richtete seinen Haupt demütig und voller Reue zu Boden und sagte in einem erklärendem und entschuldigendem Ton: „Die Pandemien auf der Erde brachten die Menschheit dem Aussterben nahe. Es musste doch etwas unternommen werden. Es war eines der schwerwiegendsten Probleme. Wir mussten eine verbesserte allgegenwärtige Resistenz gegen schadhafte Viren schaffen. Das geht nicht, ohne das Genom des Menschen zu verändern. Nicht alle Menschen waren kompatibel. AIBOP errechnete indirekt den Wert eines jeden Menschen in Form der Problemliste.“

Schweigen erfüllte die Kuppel. Nur das bedrohliche Brummen der Magnetspulen und das intensive schicksalhafte Pulsieren der Maschine war zu hören. Tom wollte nicht weitersprechen. Er wollte es nicht aussprechen. Langsam griff er zum Gürtel. Verzweifelt, aber mit einer gewohnt souveränen Handbewegung erfasste er die kleine Apparatur an seiner Hüfte.

Fox schnappte nach Toms Hand und sprach: „Was ist das?“

Erschöpft vom Leben hantierte Tom mit der Apparatur in der Hand. Er schüttelte den Kopf und sprach: „Ich weiß nicht, wie oft ich es versucht habe. Ich weiß nicht, wie oft ich es noch versuchen soll. Etwas in mir will es von dir hören.“

Voller Unwissenheit fragte FOX Ihren Vater: „Was ist das für ein Gerät? Was willst du von mir hören?“

Tom öffnete eine kleine Klappe am Gerät. Es war ein kleiner Energiespeicher darin zu erkennen. Er schaute zum Speicher – im Begriff die Festwasserstofftablette vom Gerät zu lösen – erhob er seinen Kopf und sah mit herzzerreißendem Blick seiner kleinen Tochter in die Augen. Widerwillig und schluchzend sprach Tom: „Wir mussten viele Menschen eliminieren. Aber du nahmst dir selber das Leben. Schnell zog er die alte Fotografie aus seiner Brusttasche und hielt sie FOX hin.

Überfordert sah FOX die Fotografie und erkannte schnell Ihre geliebte Mutter darauf. Stammelnd sagte FOX: „Aber, aber das ist Mama – Aber wer ist die jüngere Frau?“

Tom trocknete seine Tränen und begrub sein Leid noch tiefer als jemals zuvor in sich. Er stand auf und sprach: „Das ist meine echte Tochter. Das bist du als du 19 warst. Du liebtest die Orangenernte.“

Kurz hielt Tom inne und versuchte nicht wieder in die schöne Vergangenheit abzudriften. Er schüttelte kurz seinen Kopf, kniff seine Augenbrauen zusammen und sagte: „Du konntest nicht ertragen, was ich und meine Arbeit vollbracht hatten. Mama durfte nicht mehr leben und so nahmst du dir auch deines. Ich war am Boden zerstört. Es dauerte sehr lange, bis ich wieder zu mir kam und mich wieder voll und ganz dem ‚Kuraberu‘ und AIBOP widmete. Doch konnte ich nicht mit der Schuld leben und erschuf dich. Immer darauf fixiert, die Absolution von dir zu bekommen. Doch es ist vergebens. Ich habe schon alles versucht. Ich dachte, wenn du noch ein Kind wärst, wäre es einfacher. Doch ehrlich gesagt bist du die schwierigste von allen. Es zerfrisst mich innerlich. Ich habe mich mit dir schon in dutzend verschiedenen Altersstufen unterhalten. Du bist nur ein Programm. Eine Projektion aller eingespeisten Daten, die ich von der echten FOX habe. Er hielt die schwarze Apparatur vor FOX.

„Das bist du. Einmal da warst du sehr alt. Weit älter als ich jetzt. Da hattest du mir fast verziehen und begriffen. Aber …“

Mit dem Rücken zu den Magnetspulen gerichtet, spürte Tom die bedrohliche Hitze des heißen Plasmas. „Willst du nicht verstehen, dass wir als Menschen auch Opfer bringen müssen?“ Er schaute seiner Tochter wieder tief in die Augen, streichelte kurz die kindliche Wange und sagte mit schuldbehafteter Stimme: „Es tut mir leid – aber es macht keinen Sinn mehr. Es muss hier und jetzt enden.“

Tom klappte den Deckel vom kleinen Gerät wieder zu und legte es behutsam in FOX‘ Hände. Lächelnd und mit ausgestrecktem Körper ließ Tom sich nach hinten ins heiße Plasma fallen. Binnen eines Augenblickes war von Toms Körper nichts mehr vorhanden außer einem Teilchengemisch aus Ionen.

Begleitet durch FOX‘ lauten Schrei beendete Tom sein Leid und sein Leben. Nach dem Verhallen des kindlich hohen Echos in der Kuppel war nur noch der allumfassende, pochende Herzschlag von AIBOP allgegenwärtig.