Buch #4 – Kill Mr. Bitcoin

In wenigen Wochen erscheint Tom Hillenbrands Montecrypto, ein Thriller über die internationale Finanzwirtschaft, in dem wohl auch Bitcoin eine nicht unerhebliche Rolle spielen wird.

Das ist insofern besonders, als dass es noch nicht viel Belletristik gibt, die sich explizit mit dem digitalen Geld und den erzählerischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, auseinandersetzt. Wenn bisher über Bitcoin geschrieben wird, dann meist in Sachbüchern.

Insofern stach auch das 2018 erschienene Kill Mr Bitcoin vom Autorenduo Lisa Graf und Ottmar Neuburger aus der Masse der eher trockenen Lektüre heraus.

Bisher noch eher die Ausnahme: Bitcoin-Belletristik

Damals habe ich auf meinem Blog The Coinspondent das Buch besprochen und weil das thematisch hier so gut reinpasst, übernehme ich die für die Magic Future Money-Idee relevanten Passagen. Den gesamten ursprünglichen Blogpost kann man hier nachlesen.


Bitcoin ist belletristisch kein einfaches Thema

Kill Mr Bitcoin ist ein kurzweiliges und unterhaltsames Buch mit Stärken und Schwächen. Was den beiden Autoren sehr gelungen ist, ist die thematische Einbindung von Bitcoin in die Geschichte. Das digitale Geld und viele seiner Facetten werden erklärt, aber nicht so, dass es nervt oder too much wird, sondern weil es an die verschiedenen Stellen der Handlung passt. Das ist eine beachtliche Leistung.

Als Leser fühlt man sich nie überfordert und belehrt, sondern erfährt gemeinsam mit dem Hauptprotagonisten viele Details und Zusammenhänge, immer genau dann, wenn es für die Geschichte relevant wird. Es gibt also auch lange Passagen, in denen es um ganz andere Sachen geht. Für Leute, die mit Bitcoin noch nichts zu tun haben, mit Sicherheit eine gute Entscheidung.

Doch reicht das? Immerhin bemängeln Rezensenten, dass die Inhaltsangabe des Buches und der Klappentext nicht das beschreiben, worum es in Kill Mr Bitcoin letztendlich wirklich geht, dass der Plot überfrachtet und das Charakterensemble unglücklich aufgebaut sei.

Zu recht kritisiert: Klappentext und Geschichte passen nicht so richtig zueinander.

Wenn „Herr Lehmann“ von Dan Brown geschrieben worden wäre

Diese Kritik ist zwar hart, aber auch gerechtfertigt. Denn es fällt schwer, mit der Handlung und ihren Protagonisten so richtig warm zu werden. Das beginnt mit Noah, einem Berliner Barkeeper, der irgendwie zwischen Loser und Actionheld angesiedelt ist und endet beim Plot, der sehr viel auf einmal will – Action, reale Schauplätze, große Gefühle, rasante Spannung, Bitcoin, Mystery und mehr –  dabei letztlich aber zu viele Fragen offen lässt.

Dafür mangelt es nicht an sarkastischen inneren Monologen und arg konstruierten Gedanken und Sätzen, die wohl kaum ein Mensch in einer vergleichbaren Situation führen würde. Zudem gibt es einige sehr spontane, aber für den Leser letztlich nur schwer nachvollziehbare Gefühlsausbrüche.

Dazu verliert die Geschichte durch die Verwendung furchtbarer IT-Stereotype ihre Authentizität. So hatte ich bspw. gehofft, dass sich der „Orden der heiligen Festplatte“(sic!) bitte irgendwie noch in Ironie, als Ablenkungsmanöver oder Witz auflösen würde. Tat er aber nicht.

Kill Mr Bitcoin wirkt daher, als hätte man Herr Lehmann genommen und ihn im Dan Brown-Stil zum Thema Bitcoin in ein Mystery-Abenteuer um die Welt geschickt. Nur leider ohne Sven Regeners pointierte und authentischen Dialoge und ohne Dan Browns Talent, eine von Anfang bis Ende stringente, dichte und mystisch-fesselnde Handlung zu weben.

Trotzdem ein unterhaltsames und spannendes Buch

Das mag jetzt alles hart klingen, doch es hat auch seinen Grund, warum ich mich einerseits den bereits zitierten Kritikern anschließe und diesem Buch dennoch vier von fünf Sternen geben würde. Unterm Strich bekommt man nämlich dennoch ein spannendes, unterhaltsames und interessantes Buch, dessen Handlung besser ist als das meiste, was man bspw. im Fernsehen derzeit als „gute Unterhaltung“ präsentiert bekommt.

Wenn man sich erst einmal reingelesen hat und die Geschichte Fahrt aufnimmt, fallen die Schwächen hier und da nicht mehr so ins Gewicht. Zumal Bitcoin(-Sachbücher) abends im Bett grundsätzlich eher zur anstrengenden Lektüre gehören. Bei Kill Mr Bitcoin ist das anders. Ein schönes Buch fürs Bett, die Bahn, um mal eben ein paar Seiten auf dem Balkon oder im Park zu lesen oder in der Badewanne. Gute Unterhaltung für ein paar Stunden, aber kein Buch, das so inspirierend ist, dass man es unbedingt noch ein zweites Mal wird lesen wollen.

Ein Buch für (zukünftige) Bitcoiner?

Auch was den Bitcoin-Wissens-Faktor angeht, kann man das Buch durchaus als Einstiegslektüre empfehlen, da die Informationen diesbezüglich aktuell, solide, verständlich und umfassend sind. (Wenngleich die mehrfach verwendete unverschlüsselte Paper Wallet bzw. jemand anderem Zugang zu seinem Private Key zu erlauben natürlich ganz schlechte Beispiele sind und dramaturgisch anders gelöst hätten werden sollen.)

Möglicherweise wird sogar der ein oder andere fortgeschrittene Bitcoiner für sich hier und da eine besondere Stelle finden. Ich jedenfalls habe amüsiert den Teil mit dem Auftritt einer realen und bekannten Bitcoin-Persönlichkeit (natürlich nicht Satoshi Nakamoto!) gelesen.

Was in Kill Mr Bitcoin jedoch nicht stattfindet, ist eine tiefergehende kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit der Entstehung von Bitcoin oder seinen Konsequenzen. Wer danach sucht, der ist vermutlich mit Neal Stephensons Cryptonomicon oder Daniel Suarez‘ Zweiteiler Deamon und Darknet besser bedient. Beides sind zwar keine Expliziten „Bitcoin“-Thriller, aber thematisch dennoch sehr nah dran.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert